Forschungsprojekt zum Nachweis von Oberflächenbelastungen durch mittel- und schwerflüchtige organische Verbindungen in Innenräumen

Fragestellung
Zu den relevanten Innenraumschadstoffen zählen auch mittel- und schwerflüchtige Verbindungen, die sich im Innenraum auf Oberflächen niederschlagen und dort zu sogenannten Sekundärkontaminationen führen können. Insbesondere handelt es sich dabei um Pestizide - darunter die bislang bereits vielfach untersuchten Substanzen Pentachlorphenol und Lindan, aber auch DDT, Pyrethroide und das in Innenräumen bislang kaum untersuchte Pyrethrum sowie Organophosphorpestizide - , polychlorierte Biphenyle (PCB), polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Flammschutzmittel und Weichmacher.
Im Rahmen einer 2004 erstellten Dissertation wurde die Persistenz ausgewählter Verbindungen als Sekundärkontaminationen unter typischen Innenraumsituationen betrachtet. Hierbei galt es in einem ersten Schritt, geeignete Applikations- und Probenahmeverfahren zu etablieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind im folgenden in Auszügen dargestellt.


Applikations- und Probenahmeverfahren zur Bestimmung von Materialkontaminationen
Als exemplarische Verbindungen für die weiteren Untersuchungen wurden zum einen PAK, zum anderen die Biozide Chlorpyriphos-ethyl, Pyrethrum sowie der Wirkungsverstärker Piperonylbutoxid (PBO) ausgewählt. Diese wurden im Falle der PAK durch einen standardisierten Verbrennungsvorgang (Abb. 01), im Falle der anderen Verbindungen durch einen Sprühvorgang (Abb. 02) auf standardisierte unterschiedlich sorptive Materialienoberflächen aufgebracht.

 

Einrußen der Testplatten

Abb. 01: Einrußen der Testplatten über Kerzenflamme (Beaufschlagen von Oberflächen mit PAK durch Berußung)

 

Einrußen der Testplatten

Abb. 02: Apparatur zum Einsprühen von Testplatten bei fester Sprühgeometrie (Beaufschlagen von Oberflächen mit handelsüblichem Pestizidpräparat für den Hausgebrauch) Es wurden verschiedene Verfahren der Beprobung (Wischbeprobung, vgl. Abb.03 und Materialbeprobung vgl. Abb.04) verglichen.

 

Abwischen von Testplatten

Abb. 03: Abwischen von Testplatten mit lösemittelfeuchtem Tuch

 

Entnahme von Bohrkernen

Abb. 04: Entnahme von Bohrkernen zur Beprobung poröser Materialien

 

Hierbei wurde festgestellt, dass die Substanzen nur dann vollständig an der Oberfläche des betreffenden Materials verbleiben und von dort aus durch Abwischen mit lösemittelbefeuchteten Baumwolltüchern vollständig erfasst werden, wenn das Material eine glatte Oberfläche aufweist und durch organische Lösemittel nicht angelöst wird. In der Praxis entspricht dies glatten, porenfreien mineralischen Oberflächen (Glas, glasierte Keramik) oder blankem Metall. Besteht die Oberfläche aus einer Kunststoffbeschichtung oder einer Lackschicht, so ist die Probennahme durch Abwischen der Oberflächen allein schon nicht mehr vollständig. Bei porösen Materialien diffundieren die aufgebrachten Substanzen zum größten Teil sogar um mehrere Millimeter in das Material hinein. In diesem Fall müssen zur Konzentrationsermittlung flächenbezogene Materialbeprobungen durchgeführt werden. Dies verdeutlicht, welche Bedeutung der richtigen Wahl des Probenentnahmeverfahrens zukommt, um korrekte Analysenergebnisse zu erhalten.

 

Abbauraten verschiedener Pestizide und PAK

Die Bestimmung der zeitlichen Änderungen der flächenbezogenen Konzentrationen für die Testsubstanzen PAK (Gruppe), Chlorpyriphos-ethyl (häufig verwendetes, synthetisches Innenraumpestizid), Piperonylbutoxid (ein Wirkungsverstärker für Pyrethrum) und den Naturstoff Pyrethrum ergab folgendes Bild: Selbst das im allgemeinen als sehr kurzlebig geltende Pyrethrum wies unter Innenraumbedingungen immer noch eine abgeschätzte Halbwertszeit von mehr als zwei Monaten auf (Abb 05).

 

Abklingkurve von Pyrethrum

Abb. 05: Abklingkurve von Pyrethrum auf Glas (abgeschätzte Halbwertszeit: 73 Tage)

 

Beim Chlorpyriphos-ethyl und beim PBO lagen die abgeschätzten Halbwertszeiten sogar bei einigen Jahren (Abb.06 und 07), und für die PAK-Gruppe war keine Konzentrationsabnahme innerhalb der gewählten Zeitspanne von 15 Monaten mehr erkennbar.

Abklingkurve von Chlorpyrifos-ethyl

Abb. 06: Abklingkurve von Chlorpyrifos-ethyl auf Glas (abgeschätzte Halbwertszeit: 630 Tage)

 

Abklingkurve von Piperonylbutoxid

Abb. 07: Abklingkurve von Piperonylbutoxid auf Glas (abgeschätzte Halbwertszeit: 1200 Tage)

 

Dies zeigt, dass der angenommene Abbau bzw. die Verdunstung von mittel- und schwerflüchtigen Innenraumschadstoffen im Fall der ausgewählten Subtanzen sehr viel langsamer geschieht als allgemein angenommen, was auch verdeutlicht, dass eine vollständige Entfernung von Schadstoffen im Rahmen von Sanierungen und auch Dekontaminationsmaßnahmen erforderlich ist, um die Belastung der Innenraumluft möglichst rasch auf ein Minimum abzusenken.